Vaginismus & Partnerschaft: Wie Kommunikation helfen kann
Eden Kosman, Psychologin, Sexual- und Paartherapeutin (Stand: Dezember 2024)
Über Eden Kosman (sie/ihr):
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Psychologin mit eigener Privatpraxis
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Eden Kosman ist Psychologin in eigener Praxis für psychologische Beratung in Berlin, spezialisiert auf Sexualtherapie und Stressbewältigung. Sie promoviert in der Sexualwissenschaft und bietet Workshops zu sexualpsychologischen Themen an. Außerdem ist sie Dozentin an einer Hochschule für Sexualpädagogik.
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Kontakt: kontakt@eden-kosman.de
Website: www.eden-kosman.de
Instagram: @eden_kosman
Vaginismus ist ein oft übersehenes Thema, das sowohl körperlich als auch emotional große Auswirkungen auf die betroffene Person und ihre Beziehung haben kann. Die unwillkürliche Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur macht Penetration schmerzhaft oder unmöglich. Besonders in heterosexuellen Partnerschaften, wo penetrativer Sex häufig als „Standard“ gilt, kann diese Erkrankung zu Belastungen führen. Betroffene schämen sich nicht selten, nicht „normal“ zu „funktionieren“, während ihre Partner:innen sich zurückgewiesen fühlen oder Sorge haben, etwas falsch gemacht zu haben. Diese Missverständnisse und unausgesprochenen Gefühle schaffen einen Teufelskreis, der die Situation zusätzlich erschwert.
Doch niemand ist schuld an Vaginismus – entscheidend ist, wie Paare mit dieser Herausforderung umgehen. Kommunikation spielt hier eine zentrale Rolle.
Als Psychologin, Sexual- und Paartherapeutin sowie Kommunikationstrainerin begleite ich Paare dabei, Vaginismus gemeinsam zu bewältigen. Offene und einfühlsame Gespräche können nicht nur helfen, Blockaden zu lösen – sie bieten Paaren die Möglichkeit, ihre Beziehung zu vertiefen und neue Formen der Intimität zu entdecken.
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Wie spricht man über Vaginismus?
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Das Gespräch über Vaginismus ist herausfordernd, aber es kann eine Beziehung stärken und den Umgang damit erleichtern. Der erste Schritt ist, einen sicheren Rahmen zu schaffen. Beginnt das Gespräch mit einer respektvollen, einfühlsamen Haltung und verdeutlicht, dass es nicht darum geht, Schuld zuzuweisen, sondern Verständnis und Nähe zu fördern.
Hier einige konkrete Tipps für ein einfühlsames Gespräch:
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Richtiger Zeitpunkt und Raum: Wählt eine entspannte Umgebung und vermeidet hitzige Momente.
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Mit positiven Absichten beginnen: Zeigt, dass es nicht um Kritik geht, sondern um gemeinsame Lösungsfindung. Beispiel: „Ich möchte mit dir über etwas sprechen, das mir wichtig ist.“
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Persönliche Gefühle formulieren: Nutzt „Ich-Botschaften“, um die eigenen Emotionen zu schildern.
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Fragen und Austausch ermutigen: Ladet das Gegenüber ein, ebenfalls Gedanken zu teilen: „Wie geht es dir mit der Situation?“
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Gemeinsames Lernen fördern: Teilt wichtige Informationen über Vaginismus und überlegt, wie ihr euch gemeinsam weiterbilden könnt.
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Lösungen gemeinsam erarbeiten: Findet gemeinsam Wege, wie ihr die Situation bewältigen könnt, z. B. durch den Kontakt zu einer Expertin.
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Geduld und Wertschätzung zeigen: Erkennt die kleinen Fortschritte und Bemühungen an.
Ein einziges Gespräch wird nicht sofort alle Unsicherheiten beseitigen. Gespräche über Vaginismus erfordern Geduld und Wiederholung, um Vertrauen und Verständnis zu fördern. Manchmal sind es die kleinen Schritte, die langfristig den größten Unterschied machen.
Intimität neu definieren – Sensate Fokus
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Für viele Paare ist vaginale Penetration ein zentraler Bestandteil ihrer Sexualität. Doch Vaginismus bedeutet nicht, dass Intimität verloren geht. Vielmehr öffnet sich die Möglichkeit, neue Formen der Nähe und Zuneigung zu entdecken. Kuscheln, Massagen oder andere Formen von Berührung können genauso erfüllend sein – oft sogar mehr, da sie den Druck von sexuellen Erwartungen nehmen.
Sensate Fokus ist eine Methode aus der Sexualtherapie, die in mehreren Phasen durchgeführt wird. Sie zielt darauf ab, durch achtsame Berührungen und bewusste Sinneswahrnehmungen eine tiefere Verbindung zu sich selbst und dem Partner zu schaffen. Dabei geht es nicht um Leistung, sondern um das Erleben von Intimität und Nähe ohne Druck.
Es gibt drei Phasen von Sensate Fokus:
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Phase 1: Sanfte Berührungen und Entspannung
In der ersten Phase geht es ausschließlich um sanfte Berührungen. Dein Gegenüber kann deinen Rücken, deine Arme oder Hände streicheln. Es geht darum, das Körpergefühl neu zu entdecken. Bleibe in dieser Phase so lange, bis du dich so wohl wie möglich fühlst. Das bedeutet, es kann Wochen dauern, in denen ihr euch nur auf diese sanften Berührungen konzentriert – ohne Penetration und ohne Berührungen im Genitalbereich. Gib dir selbst die Zeit, die du brauchst, um dich wirklich sicher zu fühlen.
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Phase 2: Berührungen im Genitalbereich
Wenn du dich in Phase 1 vollkommen entspannt fühlst, könnt ihr langsam den Genitalbereich mit sanften Berührungen einbeziehen – ohne dass Penetration stattfindet. Ich empfehle, im Vorfeld gemeinsam abzusprechen, welche Berührungen und Handlungen für beide Personen in Ordnung sind.
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Phase 3: Langsame Penetration
Wenn du dich sicher und entspannt fühlst, kann die Penetration langsam eingeführt werden. Dabei bleibt es wichtig, dass du jederzeit die Kontrolle behältst und die Möglichkeit hast, „Stopp“ zu sagen, wenn es unangenehm wird.
Ich empfehle, euch nach den Übungen immer Zeit zu nehmen, eure Erfahrungen auszutauschen und zu reflektieren, ohne sie zu bewerten.
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Professionelle Hilfe als Stütze
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Vaginismus ist eine Herausforderung, die nicht allein bewältigt werden muss. Sexualtherapie oder Paartherapie bietet einen geschützten Raum, in dem beide Partner:innen ihre Ängste, Fragen und Wünsche offen ansprechen können.
In der Therapie entwickeln wir gemeinsam konkrete Schritte, die auf eure individuelle Situation zugeschnitten sind. Dazu gehören Entspannungstechniken, Beckenbodentraining, die Arbeit an negativen Glaubenssätzen oder das schrittweise Wiederentdecken von Nähe. Für Partner:innen ist die Therapie eine Gelegenheit, zu lernen, wie sie unterstützend sein können, ohne Druck aufzubauen. Viele meiner Klient:innen berichten, dass sie durch die Therapie nicht nur ihre Sexualität, sondern auch ihre emotionale Verbindung zueinander neu entdeckt haben.
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Ein gemeinsamer Weg
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Vaginismus kann das Gefühl vermitteln, isoliert oder „anders“ zu sein. Doch du bist nicht allein – und es gibt Wege, diese Herausforderung zu überwinden. Veränderung braucht Zeit, Geduld und die Bereitschaft, alte Vorstellungen loszulassen. Mit jedem kleinen Schritt kommt ihr einer neuen Form der Intimität näher, die auf Vertrauen, Nähe und gegenseitigem Verständnis basiert.