Als ich das erste Mal in Touch mit einer Gynäkologin über mein Vaginismus-Leiden kam, war das der erste „Ratschlag“, den ich dazu bekam. Ich wusste damals nicht, dass es Vaginismus ist, war auf sexueller Selbsterforschung und natürlich war der erste Anlaufpunkt meine Gynäkologin. Die kennen sich schließlich mit Körpern, Frauen und Sexualität aus. Oder?¹ Ich schilderte ihr, wie sehr es wehtat, wenn ein Mann versuchte, mit seinem Penis einzudringen und berichtete, dass ich danach oft das Gefühl hatte, mich hätten vaginal tausend kleine Nadeln gestochen und alles würde brennen. Auch Blasenentzündungen oder Pilzinfektionen nach penetrativem Sex² (soweit möglich), waren keine Seltenheit. Meine erste Gynäkologin sagte mir daraufhin, ich müsse mich einfach nur entspannen.
„Trinken Sie doch ein Glas Rotwein, das hilft beim Entspannen“. Mein 17-jähriges Ich wusste nicht genau, was es mit diesem „Rat“ anfangen sollte.
Jedes Mal Alkohol trinken, wenn ich mit einem Mann penetrativen Sex wollte? Das sollte jetzt die Lösung sein? Ich ging sehr frustriert und traurig nach Hause und traute mich nicht, sie noch mehr zu fragen. Und so machte ich mit frustriertem, verzweifelten Sex weiter. Ich ging über meine Grenzen, weil ich wollte, dass es funktionierte. Viel mehr wollte ich damals für die Männer funktionieren, mit denen ich zusammen war. Weniger für mich. Ich lernte aus all diesen Erfahrungen, dass Sex etwas ist, das schmerzt und mir nicht gut tut. Mit 22 Jahren zog ich nach Hamburg. Ich suchte mir eine neue Gynäkologin, die zumindest etwas mehr mit mir über die Schmerzen beim Sex sprach und gleichzeitig auch keine Lösung wusste. Sie verschrieb mir daraufhin Östrogene. Ich denke, ich brauche nicht erwähnen, dass diese nicht funktionierten. Da ich das Gefühl hatte, zu dieser Gynäkologin nun etwas offener sein zu können, fragte ich sie schließlich, ob es nicht eine psychische Ursache für die Schmerzen geben könnte? Sie reagierte verständnisvoll und bestätigte meine Vermutung.
Sie gab mir den Kontakt zur UKE Sexualforschung. Als ich dort meinen Termin hatte, hörte ich zum ersten Mal das Wort „Vaginismus“.
Das war der größte Aha-Effekt in meinem bisherigen Leben. Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich alles. Ich hatte einen Begriff, zu dem ich recherchieren konnte. Ich hatte einen Ansatz, mit dem ich arbeiten konnte. Und ich fühlte mich nicht mehr so allein damit. Die Sexualforschung wiederum vermittelte mich an eine Verhaltens- und Sexualtherapeutin, bei der ich letztlich fünf Jahre alles aufarbeitete. Ich verstand, woher der Vaginimus kommt, ich baute mir sehr viel mehr Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen auf, ich erforschte, was meine Bedürfnisse sind und vor allem, wo meine Grenzen sind und wie ich sie einhalte. Diese fünf Jahre verbesserten mein Leben mit mir selbst. Sie machten, dass ich endlich authentisch sein konnte. Sie machten, dass ich Gynäkolog:innen nun sagen kann, dass Rotwein zur Lösung von Vaginismus die denkbar schlechteste Idee überhaupt ist. Und sie machten, dass ich mittlerweile weiß, dass ich nicht funktionieren muss, um Männern zu gefallen, sondern dass ich penetrativen (oder eher circludierenden!) Sex nur dann habe, wenn es mein Bedürfnis ist. Wenn ich mich entspannen will und kann. Ganz ohne Rotwein.
An dieser Stelle einen Dank aus tiefstem Herzen an diese Therapeutin.
¹Edit: Versteht mich nicht falsch - es gibt einige Gynäkolog:innen, die einen richtig guten Job da draußen machen. Leider ist es das System, dass u.a. im Medizinstudium viel zu wenig über Schmerzen beim Sex und damit die Verbindung von Körper und Psyche vermittelt. An die empathischen, aktiv zuhörenden und interessierten Gynäkolog:innen da draußen: Ihr macht einen tollen Job und ich würde mich freuen, wenn ihr mit unserer Selbsthilfegruppe zusammenarbeiten wollt!
²Penetration vs. Circlusion: Während Penetration meint, dass etwas in die Vagina einer Frau eingeführt wird, meint Circlusion, dass die Frau etwas selbstbestimmt in ihre Vagina aufnimmt. Fühlt sich für mich wohliger und zufriedener an. In diesem Text spreche ich bewusst von Penetration, da es sich für mich lange Zeit nicht angefühlt hat, als würde ich selbstbestimmt einen Penis in mich aufnehmen. In einem anderen Blog-Beitrag mehr zu Circlusion :-)